Zum Finale von „Star Trek: Discovery“: Im Gespräch mit Showrunnerin Michelle Paradise (2024)

  1. serienjunkies
  2. News
  3. Redaktion

Stand:

Von: Reinhard Prahl

Kommentare

Zum Finale von „Star Trek: Discovery“: Im Gespräch mit Showrunnerin Michelle Paradise (1)

Nachdem die letzte Episode von „Star Trek: Discovery“ gelaufen und der Vorhang sozusagen gefallen ist, wird es Zeit, einen kleinen Rückblick zu wagen. Zur Seite steht uns dabei Showrunnerin Michelle Paradise. Im Interview erzählt sie uns, warum DSC keine Ensembleshow ist, warum Diversität eine so große Rolle spielt und warum sich das Ende der Serie für sie rund anfühlt.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Trotz aller Widerstände

Star Trek: Discovery hatte in den letzten fünf Jahren im alteingesessenen Fandom sicherlich einen schweren Stand. Zuschauende monierten beispielsweise die bisweilen starke Überzeichnung der Hauptfigur und die Tatsache, dass oft zu viele narrative Fässer geöffnet wurden und am Ende halb leer blieben. Allerdings ging das Gerangel um das große Rechthaben schon lange vor Ausstrahlung der Debütfolge in den sozialen Netzwerken los. Die Klingonen waren zu wenig klingonisch, das Schiff hässlich und überhaupt: War der Look für eine vor TOS angesiedelte Storyline nicht viel zu modern?

Als Szenekenner (der Autor dieses Textes bewegt sich seit beinahe 40 Jahren im Fandom und hat fünf Sachbücher über „Star Trek“ mitverfasst) fühlte man sich da bisweilen unsanft ins Jahr 2001 versetzt, als sich die ach so tolerante und weltoffene Community über die Ähnlichkeit der NX-01 zur Akira-Klasse oder eben jener zu modernen Optik für ein Prequel erregte. 2005 legte Star Trek: Enterprise auch dank solcher Kommentare eine Bruchlandung erster Güte hin, wohingegen die Show heute als ein Klassiker der Trek-TV-Historie gilt. Wie sich die Zeiten bisweilen doch ändern können.

Jetzt das Angebot von Paramount+ entdecken (Affiliate-Link)

Offensichtlich hat DSC trotz aller Widerstände ihr Publikum gefunden und es letztlich immerhin auf fünf Staffeln mit insgesamt 65 Episoden gebracht. Für eine Show, die auf Rotten Tomatoes vom Publikum mit Werten zwischen 50 und 21 Prozentpunkten abgestraft wird, ist das eine beachtliche Leistung, zumal sich zu IMDb mit einer Note von 7/10 eine beinahe noch bemerkenswertere Diskrepanz auftut, als zu den Beurteilungen großer Teile der Fachpresse. Fakt ist und bleibt, dass „Star Trek: Discovery“ die Gemüter zwar bisweilen nicht zu Unrecht erhitzte, aber das Herz stets am rechten Fleck hatte und vor allem ab Staffel drei gute Ansätze zeigte. Und vergessen wir bitte nicht, dass auch Star Trek: The Next Generation, Star Trek: Deep Space Nine, Star Trek: Voyager und Enterprise in den ersten Seasons keine echten Glanzlichter waren.

Hier kannst Du „Die Star-Trek-Chronik - Teil 2“ bei Amazon.de kaufen (Affiliate-Link)

Insofern wäre es gar nicht mal so verwunderlich, wenn DSC in zehn bis fünfzehn Jahren ebenfalls in die Riege der Trek-Klassiker Einzug hält - in einer Zeit, in der die Alteingesessenen dem Franchise schon längst auf die eine oder andere Art den Rücken gekehrt haben. Bis es soweit ist, werfen wir gemeinsam mit einer Frau einen Blick zurück, die mehr über die Serie weiß, als kaum ein anderer Mensch: Showrunnerin Michelle Paradise. Im Gespräch verrät sie uns, wie sie ihren Job bekam, den Arc um Michael Burnham mitkreierte und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.

Das Review-Archiv zu „Star Trek: Discovery“ könnt Ihr hier durchstöbern!

„Ich saß beim Dinner, als ich den Anruf erhielt.“

Serienjunkies.de: Hallo Michelle, vielen Dank, dass du dir für unsere Leserinnen und Leser Zeit genommen hast. Lass uns dieses Interview mit der Frage nach deiner Beziehung zu „Star Trek“ beginnen. Was ist deine persönliche Trek-Geschichte?

Michelle Paradise: Ich bin mit „Star Trek“ aufgewachsen und liebe das Franchise. Als Kind schaute ich „The Original Series“ im Fernsehen und war schon immer sehr an Wissenschaft, vornehmlich den Weltraum und dem, was dort draußen ist, interessiert. Kirk und Spock dabei zu beobachten, wie sie all diese Abenteuer erleben, auf fremde Spezies treffen, unbekannte Zivilisationen erforschen: das hat mich stark beeinflusst. Als Kind fragte ich mich, ob es da draußen noch anderes Leben gibt, und das tue ich als erwachsene Frau immer noch. In meiner Freizeit lese ich Wissenschaftsmagazine wie „New Scientist“, ich verschlinge naturwissenschaftliche Artikel und Bücher geradezu, obwohl ich eigentlich in anderen Fächern promoviert habe. Zudem hat mich die Kameradschaft der Crew, die Hoffnung und der Optimismus, dass man jedes Problem gemeinsam überwinden kann, sehr beeinflusst.

Serienjunkies.de: Wie genau lief die Bewerbung für „Star Trek: Discovery“ ab und wann hast du realisiert, dass du nun ein Teil des Franchise sein wirst?

Paradise: Das ist eine interessante Geschichte. Als ich zum Interview für die Mitarbeit an Staffel zwei von „Star Trek: Discovery“ eingeladen wurde, wusste ich nur, dass es eine neue Trek-Serie gab. Gesehen hatte ich davon aber nichts, weil die Show auf dem Streamingdienst CBS All Access lief, den ich gar nicht gebucht hatte. Während des Gesprächs wusste ich also nicht wirklich, worum es ging. Dann sah ich die ersten Folgen und war begeistert. Die Möglichkeit, Teil der Serie zu werden, war schon toll.

Das erste Gespräch war allerdings nicht viel mehr als ein branchenübliches Erstinterview. Als ich den Raum betrat, saßen dort die damaligen Showrunner, die auf der Suche nach Verstärkung waren. Das Produktionsteam bestand zum Teil aus Leuten, die wirklich alles über „Star Trek“ wussten. Ich war Fan und hatte zuvor an einer Genre-Show gearbeitet. Ich denke daher, sowohl meine große Liebe zum Franchise als auch meine Erfahrungen bei The Originals waren möglicherweise hilfreich, aber um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht genau. Auf jeden Fall saß ich beim Dinner, als ich den Anruf erhielt, in dem man mir mitteilte, dass man mich einstellen würde. Es war großartig, ich war unglaublich aufgeregt. Als Alex mich dann später fragte, ob ich in Staffel drei mit ihm gemeinsam als Showrunner arbeiten wolle, war ich schlicht überwältigt.

„Michael ist die erste schwarze Raumschiffkapitänin.“

Zum Finale von „Star Trek: Discovery“: Im Gespräch mit Showrunnerin Michelle Paradise (2)

Serienjunkies.de: Du erwähntest gerade, dass du ein großer Wissenschaftsfan bist. Wusstest du, dass „Star Trek: Discovery“ selbst Teil des wissenschaftlichen Diskurses ist? Die Medienwissenschaftlerin Amy C. Chambers schreibt zum Beispiel: „Michael Burnham, und mit ihr Sonequa Martin Green, holt farbige Frauen - und insbesondere schwarze Frauen - vom Rand in das Zentrum der narrativen Welt von „Star Trek“, indem sie auf der limitierten, aber oft bahnbrechenden Darstellung von weiblichen farbigen und schwarzen Nebenfiguren aufbaut, die das Franchise in seiner mehr als 50-jährigen Geschichte bislang zeigte. (…) Burnham ist in ihrer Rolle als schwarze Wissenschaftlerin und Hauptfigur im „Star Trek“-Franchise daher revolutionär.“ Was sagst du dazu?

Paradise: Wow, das ist toll. Es ist schon richtig: Michael ist die erste schwarze Raumschiffkapitänin, auch, wenn sie als Erste Offizierin begann. Allein das ist in der Welt von „Star Trek“ schon bahnbrechend. Davon abgesehen legten wir aber immer auch unseren Fokus auf die Personen, die sie umgeben. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, den Cast mit diversen Darstellenden und Figuren zu besetzen. Was Sonequa anbelangt: Sie ist großartig und gestaltet Michael so vielschichtig, wie man es sich nur wünschen kann. Sie ist stark, intelligent, empathisch und kraftvoll. Insofern kann man gar nicht genug hervorheben, was sie als Schauspielerin und Frau leistet.

Burnhams Arc ist episch und vielleicht einer der größten, die bisher für eine weibliche Hauptfigur geschrieben wurde. Sie beginnt ihre Reise als Erste Offizierin, die sich darauf vorbereitet, irgendwann selbst das Kommando zu übernehmen. Dann trifft sie eine falsche Entscheidung, die sie vor das Kriegsgericht bringt und zu einer Gefangenen macht. Im Verlauf der Serie beobachten wir, wie sie sich durchbeißt und irgendwann zur Kapitänin wird. In der fünften Staffel ist sie schließlich die Mentorin, die Philippa Georgiou zu Beginn der Serie für sie war. In Episode vier (Face the Strange) bekommen wir noch einmal die Gelegenheit, ihren Werdegang nachzuvollziehen. Der Kontrast ist wirklich unglaublich krass. Das macht den Charakter in meinen Augen so bahnbrechend.

„Für Alex und das restliche Team war immer klar, dass Michael einst zum Captain würde.“

Serienjunkies.de: Würdest du sagen, die Entwicklung von Michael war ein natürlicher Prozess?

Paradise: Ich war zwar nicht von Anfang an dabei, aber ich würde sagen, ja. Für Alex und das restliche Autorenteam war immer klar, dass Michael einst zum Captain würde. Die Frage war immer nur, wann dies geschieht. Schaut man sich die Serie komplett an, stellt man fest, dass die Entwicklung absolut organisch ist. Burnham war von Anfang an die treibende Kraft der Serie und stand daher auch immer im Fokus der Erzählung. Am Ende jeder Season stellten wir uns die Frage, wohin die aktuellen Ereignisse Michael führen könnten.

Nach Staffel drei überlegten wir, wie wir sie am besten in des Captains Stuhl befördern. Anschließend ging es um die Frage, wie sie die Rolle ausfüllen wird. Was ist ihre Vision, welchen Führungsstil entwickelt sie und wie erzählen wir die Geschichte? Die fünfte Season dient als Auflösung des Arcs. Sie sitzt fest im Sattel und fühlt sich tief mit ihrer Aufgabe verbunden. Der nächste logische Schritt ist also, sie selbst zum Mentor werden zu lassen. Auf eine gewisse Weise war Burnham natürlich schon immer eine Mentorin. Sie ist Tillys beste Freundin und half ihr, zu der Person zu werden, die sie nun ist. Aber in der Finalstaffel gehen wir noch einen Schritt weiter und stellen ihr einen älteren erfahrenen Captain gegenüber, der ihre Ratschläge zunächst ablehnt. So entwickelt sich die Figur immer weiter.

Hier kannst Du „Die Star-Trek-Chronik - Teil 4: Star Trek: Picard“ bei Amazon.de kaufen (Affiliate-Link)

„Alex war stets darauf bedacht, den Cast bunt zu gestalten.“

Zum Finale von „Star Trek: Discovery“: Im Gespräch mit Showrunnerin Michelle Paradise (3)

Serienjunkies.de: Du erwähntest gerade das Thema Diversität in „Star Trek: Discovery“. In Anbetracht der Fülle diverser Figuren und ihren Funktionen innerhalb der Serie darf man durchaus resümieren, dass diese bahnbrechend in der Film- und Fernsehindustrie ist und sich organisch einfügt. Warum ist dann aber Diversität auf dem Bildschirm und hinter der Kamera immer noch so stark unterrepräsentiert?

Paradise: Ich bin mir nicht sicher, es gibt wahrscheinlich eine Millionen Gründe warum es in der Industrie immer noch viel zu wenige diverse Menschen gibt. Ein Thema wie dieses bedarf der Achtsamkeit und des Wunsches, die Welt so zu repräsentieren, wie sie nun einmal wirklich ist. Denn wir leben in einer diversen Welt und brauchen Anführer, Entdeckerinnen und Entdecker sowie Forschende aller Spektren, um das Leben in sämtlichen Facetten abzubilden. Warum dies bis heute nicht so ist, ist eine andere Frage.

Dennoch habe ich das Gefühl, dass sich der Entertainmentsektor in den letzten Jahren in die richtige Richtung bewegt. Es gibt sicherlich noch viel zu tun, aber wir befinden uns auf dem Weg dorthin. Bei „Star Trek: Discovery“ war uns das Thema immer sehr wichtig. Alex war stets darauf bedacht, den Cast bunt zu gestalten. Als ich dazukam, hatte ich deshalb von Anfang an ein gutes Gefühl, und das ist vornehmlich Alex zu verdanken. Wir dürfen natürlich auch nicht vergessen, dass Diversität in „Star Trek“ schon immer eine große Rolle spielte. Als Gene Roddenberry TOS drehte, existierte das Thema quasi noch überhaupt nicht. Trotzdem hatte er den Mut, eine schwarze Frau zur Offizierin zu machen. Das ist es, worauf es letztlich ankommt.

Serienjunkies.de: Was hättest du deiner Meinung nach besser - oder vielleicht anders - machen können?

Paradise: Rückblickend glaube ich glaube nicht, dass wir etwas anders gemacht hätten. Wir haben uns immer tiefgreifende Gedanken gemacht und gingen hoch engagiert an die Arbeit. Natürlich gibt es vom retrospektiven Standpunkt aus betrachtet Dinge, die wir damals einfach noch nicht wussten. Aber es ist immer schwer, im Nachhinein zu sagen, man hätte dieses oder jenes anders gestaltet.

Ein Punkt ist beispielsweise unser Umgang mit Covid. Das war für das gesamte Team eine sehr schwere Zeit. Hätten wir damals mehr darüber gewusst, hätten wir wahrscheinlich einige Prozessabläufe vor und hinter der Kamera vereinfachen können. Gerade Staffel vier war deshalb für uns alle eine emotionale Herausforderung. Wir haben das Beste daraus gemacht und versuchten, das Arbeitsumfeld für alle möglichst angenehm zu gestalten. Unsere höchste Priorität war aber immer die Sicherheit aller Beteiligten. Und das hat letztlich gut funktioniert.

„Es gibt immer noch mehr Geschichten zu erzählen.“

Zum Finale von „Star Trek: Discovery“: Im Gespräch mit Showrunnerin Michelle Paradise (4)

Serienjunkies.de: Star Trek: Discovery endet mit der fünften Staffel nach 65 Episoden. Denkst du, es ist die richtige Zeit, sich von Michael und den anderen zu verabschieden, oder hättest du gerne noch weitere Geschichten erzählt?

Paradise: Es gibt immer noch mehr Geschichten zu erzählen. Die Welt ist so komplex und die Figuren vielschichtig. Allerdings glaube ich, dass wir thematisch betrachtet mit dem Finale der Serie sehr zufrieden sein können. Als CBS Studios und Paramount+ uns mitteilten, dass Staffel fünf die letzte Season sein wird, gaben sie uns die Möglichkeit zu Nachdrehs, was sehr großzügig war. So etwas geschieht so gut wie nie in der Branche. Eine solche Geste zeigt, wie sehr dem Studio „Star Trek: Discovery“ und die Fans am Herzen liegen. Die Leute, die die Serie mögen, möchten ein angemessenes Finale sehen. Deshalb gibt es keinen Cliffhanger und keine Kill-your-Darlings-Episode, sondern ein zufriedenstellendes, echtes Ende. Trotzdem ist das Finale so konzipiert, dass weitere Abenteuer in der Zeitlinie von Discovery möglich sind. Die Figuren existieren im 32. Jahrhundert weiter und leben ihr Leben. Insofern ist alles möglich.

Serienjunkies.de: Letzte Frage: Was sind deine Pläne für die Zukunft, jetzt, nachdem „Star Trek: Discovery“ zu Ende ist?

Paradise: Derzeit überlege ich, wie es für mich weitergeht. Die letzten fünf Jahre meines Lebens drehten sich fast vollständig um Star Trek. Und nun muss ich sehen, was auf mich zukommt. Ich hoffe natürlich, dass ich auf die eine oder andere Art weiterhin mit den Menschen zusammenarbeiten darf, die so wichtig für mich geworden sind. CBS Studios und Paramount+ verfügen über ein fantastisches Team, nein eigentlich sind diese Leute mehr eine Familie für mich geworden. Ein Teil von DSC zu sein, war das absolute Highlight meiner bisherigen Karriere. Die Leidenschaft, das Engagement und die Hingabe von Alex und den anderen war wirklich wie ein wahrgewordener Traum für mich und ich hoffe, das spürt man auch auf dem Bildschirm. Es wäre schön, wenn wir für ein anderes Projekt wieder zusammenfinden würden.

Serienjunkies: Vielen Dank für das nette Gespräch.

Auch interessant

Kommentare

Zum Finale von „Star Trek: Discovery“: Im Gespräch mit Showrunnerin Michelle Paradise (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Jeremiah Abshire

Last Updated:

Views: 6090

Rating: 4.3 / 5 (54 voted)

Reviews: 85% of readers found this page helpful

Author information

Name: Jeremiah Abshire

Birthday: 1993-09-14

Address: Apt. 425 92748 Jannie Centers, Port Nikitaville, VT 82110

Phone: +8096210939894

Job: Lead Healthcare Manager

Hobby: Watching movies, Watching movies, Knapping, LARPing, Coffee roasting, Lacemaking, Gaming

Introduction: My name is Jeremiah Abshire, I am a outstanding, kind, clever, hilarious, curious, hilarious, outstanding person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.